Ende der 90er Jahre, genauer 1997, als die Welt noch weit weniger vernetzt war, amüsierte sich ein Millionenpublikum köstlich über die Geschichte einiger arbeitsloser Stahlarbeiter im englischen Sheffield, die als männliche Stripper nicht nur ihre Geldbeutel füllen, sondern auch ihr verloren gegangenes Selbstwertgefühl wiederfinden wollten. Auch ohne digitale Unterstützung sprach sich schnell herum, dass die Männer durchaus bereit waren, es, oder besser ihn
, allen zu zeigen. Eben „Ganz oder gar nicht“. So lautet der deutsche Titel der britischen Filmkomödie „The Full Monty„, die sich vom anfänglichen Tipp zum internationalen Kassenmagneten entwickelte.Die charmante Geschichte von Simon Beaufoy („Slumdog Millionaire“, „127 Hours“) basierte auf einer Idee von Paul Bucknor und sollte noch viele Jahre später auch auf den Bühnenbrettern der Welt funktionieren, wovon zumindest in Deutschland ein jedes Jahr aufs Neue gespieltes Theaterstück und (noch ein wenig später) eine erfolgreiche Musical-Version kündet.
Zwischen Tragik und Komik
Dass der Film bis heute unter Fans als „der unerreichte Prototyp aller britischen Sozialkomödien“ bezeichnet wird, liegt vor allem an der geglückten Gratwanderung zwischen Tragik und Komik, die Regisseur Peter Cattaneo zusammen mit seinen „Full Monty“-Darstellern glaubhaft auf die Leinwand zauberte. Gekonnt vor allem zwischen kleinen, feinen und vor allem tragischen Momenten sowie zwerchfellerschütternder Komik changierend, war es auch ein Verdienst der männlichen Freizeit-Stripper (u.a. Robert Carlyle, Tom Wilkinson), die in vielen Momenten kurz vor der Klippe der Lächerlichkeit eine überraschend gekonnte Kehrtwende vollzogen und auf jeden Witz eine herzergreifende Pointe folgen ließen.
Ohne den sozialkritischen Unterton aber auf einer ähnlichen Idee basierend inszenierte ausgerechnet der Theater-, Film- und Fernsehschauspieler Oliver Parker („Othello“, „Ein perfekter Ehemann“, „Das Bildnis des Dorian Gray“) fast genau 20 Jahre später die Geschichte einer Gruppe unterschiedlicher Männer, die sich zusammenrauft, um an einem Contest teilzunehmen, in diesem Fall an einer Weltmeisterschaft für Synchronschwimmer. Und die Betonung liegt auf -SchwimmER und nicht, wie man vermuten könnte auf -Schwimmen. „Swimming with Men“ lautet deshalb auch der vielsagende (deutsche wie auch der) Original-Titel, der keinen Zweifel daran aufkommen lässt, worum es in der britischen Komödie geht.
Anders als bei Peter Cattaneo in den 90ern steht bei Parker jedoch nur ein einzelner Mann, oder vielmehr ein männliches Schicksal im Zentrum des Geschehens. Denn erzählt wird die Geschichte von Eric, einem Mittvierziger in der Midlife Crisis. Der gewissenhafte Buchhalter einer größeren Bank (überzeugend verkörpert von Rob Brydon) findet schon seit langem kein Gefallen mehr an seinem Job, der sich ausschließlich um Zahlen dreht. Routinen haben den Familienvater fest im Griff und überhaupt scheint die Freude an seinem Leben insgesamt ein wenig verloren. Auch deswegen verdächtigt Eric seine Frau Heather (Jane Horrocks), eine engagierte Lokalpolitikerin, die gerade einen Karrieresprung gemacht hat, ihn verlassen zu wollen.
Einzig im Schwimmbecken findet Eric noch Ruhe und Zufriedenheit. Dort stößt er eines Nachmittages zufällig auf eine Gruppe anderer Schwimmer, die sich sehr selbstbewußt als ein Club von Synchronschwimmern erkenntlich zeigt. Eines auch ihrer zahlreichen Probleme ist an diesem Nachmittag eine Schwimm-Formation, die nur mit einer geraden Anzahl von Personen funktionieren kann. Der Mathematiker Eric kann das Problem lösen, indem er kurzerhand die Gruppe als achtes Mitglied komplettiert. Und obwohl die erste Regel ihres „Clubs“ lautet: „Was im Schwimmbad erzählt wird, bleibt im Schwimmbad„, stellt sich sehr bald heraus, dass Eric und seine neuen Freunde mehr Probleme gemein haben, als jedem lieb sein kann.
Anfänglich äußerst skeptisch ist Eric mehr und mehr beeindruckt, nicht nur vom Zusammenhalt der unterschiedlichen Männer. Ein Zusammenhalt, der besonders gefragt ist, als das Team beschließt, an der bevorstehenden inoffiziellen Weltmeisterschaft für Synchronschwimmer in Mailand teilzunehmen. Eine große Herausforderung, die nicht in allen Familien gut ankommt und bei der sie auf die Unterstützung einer Frau setzen müssen: Synchrinschwimmerin Susan (Charlotte Riley) wird ihre Trainerin. Und sie versteht es sehr gut, ihre Schützlinge perfekt auf das Großereignis vorzubereiten.
Eine Emanzipationsgeschichte a la „Full Monty“
Wie bereits „Full Monty“ ist auch „Swimming with Men“ eine Emanzipationsgeschichte sowie eine überzeugend glaubhafte Absage an die Klischees von Coolness und Härte, die sich bis heute hartnäckig an filmische Männerbilder heften. Zusammen mit den hervorragenden Bildern von Kameramann David Raedeker, einem wunderbar entspannten Schnitt inklusive zahlreicher Zeitlupen von Cutterin Liana del Giudice nimmt man deshalb sehr gerne teil an den Schicksalsgeschichten dieser Durchschnittskerle, die es nicht nur ihrem Neu-Mitglied Eric leicht machen, auch weiterhin an die „Männerfreundschaft“ zu glauben. Sehenswert. 7 von 10 Punkten.